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Mamaemokacke

Leute, die Emokacke ist am Dampfen. Ja, Mutti siehts nicht mehr, gschpürt zu viel und weiss nicht mehr wohäre mit all den Gefühlen. Es sollte Mama-Selbsthilfegruppen geben. Weisch, wo wir uns kollektiv in die Taschen heulen, fluchen und lästern können. Tausend Themen zu mütterlich - emotionalen Stress hab ich und frage mich mehr denn je: Was habe ich gedacht, als meine Ovarien "EIZELLEN BEFRUCHTEN, JEEEEETZT!" geschrien haben? Wie habe ich mir vorgestellt seelisch mit all dem Zeugs klarzukommen? Gopfertuschmi, eigentlich war ich bereits vor der Gang ein emotionales Wrack. Total verhindert wie ich war, hatte ich keine Ahnung, dass mich die Mutterliebe vollends zerstören würde - wahrscheinlich nachhaltig. Ich dachte damals, dass meine grösste Liebe bereits lebe. Bäääm...hesch ke Ahnig vo Muddigfüheu, naivo..

Und jetzt stehen die letzten Kindergartentage an und - ich kanns nicht leugnen - Mutti hat Kummer, Wehmut fühlt Nostalgie und die Vergänglichkeit. Ich finde die ersten grauen Haare und hab mir gefühlt 5 Augenfaltencremes gekauft. Und eine gegen Altersflecken, weil einfach.

 

Ich habe tiefsitzende Ängste vor den Tagen, an welchen ich von Kind1 abgelehnt werden könnte (let's face it, das eben Pubertät und normal), schon fast Panik, dass er mich in seinen Twens schlimm peinlich und meine Weltanschauung saublöd findet und mir kommen die Tränen, wenn ich mir vorstelle, dass ich vielleicht in seinen 30ern nicht mit ihm biertrinkend über das Universum und die Welt sprechen kann. Und ich dann so - broken hearted. Not gonna lie - bei jedem Toilettengang heule ich. Gut schaff ichs nicht so oft aufs WC, hab ja noch Kind3.

 

Die vergangenen zwei Jahre haben mein Seelenleben arg aufgewühlt. Ab Kindergarteneintritt platzt die zweite Fruchtblase und man sieht sich plötzlich umgeben von Dubeln. Und solltest du das jetzt lesen und mein Nachbar oder ein Elternteil, welches neben mir an nem Schulanlass sein, haben unsere Kinder vielleicht die gleichen Hobbies - egal mir kenne eus einfach? Chill mal, ich disse dich nicht. Ich bin nämlich die Mutter, welche wie eine Löwenmama auf alles und jeden losgeht, weil sie des Kindes Schmerz auf sich selbst überträgt und das dann mit den eigenen Erfahrungen und den Muttigefühlen zu nem fetten Cocktail mixt um dann gefühlsbesoffen auf alle loszugehen. Kennst du also nen Therapeuten, der im Mutterscheiss erfahren ist? - Hau raus die Nummer!

 

Und jetzt? Trinken wäre ne Möglichkeit, Schoggi ist keine mehr, da ausgereizt, sagen jedenfalls alle Hosen. Rumgedisst hab ich schon kräftig. Nein, ich will nicht umarmt werden! Ich will kein Mitleid und du kannst gerne über mich lachen, säg mir nume: Kennst du das? Ich meine, machen dich all die Eindrücke und die Gefühle auch so fertig? Warst du dir der Sache vor deiner Niederkunft bewusst? Wie kommst du damit klar? Was zur Hölle soll und kann ich machen?

 

Ich habe das Chindsgitäschli von K1 vier Tage nach der Geburt von K3 genäht, mein Beckenboden und der Damm erinnern sich noch. Mit mega viel Liebe, Sorgfalt und unter Tränen habe ich bei jedem Schritt "Meine Kinder kriegt ihr nicht!" vor mich hingesagt. Damals redete mir ein, das seien die postnatalen Hormone. Aber Leute, die Wahrheit ist, dass ich das war. Im Ärnscht. Und heute packe ich das Täschli in die Erinnerungskiste und bin ein Wrack: Ich würde mich am liebsten auf den Boden schmeissen und tüpple was das Zeug hält. Ich will nicht, dass es fertig ist. Ich will nicht dass es weiter geht. Ich möchte, dass es ist wie früher. Es ist wie Liebeskummer. Ich vermisse sie dreistündigen Spaziergänge im Wald, das Suchen nach Wichteln, ich vermisse Austrücke wie "Fegiiii" für "Fertig" und "Habei" für "Haferbrei", ich vermisse die klitzekleinen Füsse und die Zeit, als das Sammeln von Schneckenhäusern noch jedes mal ein "wooooou" entlockte. Es ist bereits schon so vieles vorbei. Ich war mir nicht bewusst, wie gross mein gefühltes Glück tatsächlich war.  Plötzlich sehe ich das Leben mit andern Augen und so vieles ist bereits Vergangenheit, während es doch noch in der Gegenwart passiert. Einiges habe ich versucht innerlich festzuhalten. Bilder, welche sich tief eingebrannt haben für allfällige schwere Zeiten. Aber ebenso vieles zerrinnt mir zwischen den Fingern. Zurück bleibt ein Gefühl, grösser als man es je erahnen könnte. So mächtig, dass es oft schwer zu tragen ist.

 

Trotzdem ist das Kindergartenende da und damit beginnt der nächste, schon sechste gemeinsame Sommer. Halbzeit bis zu den Teeniehormonen. Es geht also noch genau so lange wie bereits vorbei ist und er wird mich anstänkern. Vor sechs Jahren dachte ich, sechs Jahre seien mega lange und reichen aus um wieder in Grösse 38 zu passen. Heute geniesse ich mit Mumtum jeden Moment, in welchem wir uns ganz nahe sind und bin enddankbar für alles, was ich erfahren und erleben darf. Denn sie ist mega schön schlimm, diese Mutterschaft.

 

Anm.: Liebes K1, solltest du das jemals lesen, ich möchte dir keinen öffentlichen Liebesbrief schreiben und dich blossstellen  (hast einen in deiner Erinnerungskiste..) und nein, du bist nicht Schuld an all dem Schmerz. Was du liest sind keine Vorwürfe. Viel mehr ist es ein Bekenntnis von noch nie so tief empfundenem Gefühlsgewusel.  Jede Träne ist eine der Dankbarkeit dafür, dass du dir mich Irre ausgesucht hast, um dich durch diese Jahre zu begleiten. Ich will nur sagen, du bist ziemlich mutig...und wohl ein hoffnungsloser Optimist - just sayin'. Danke dafür. Deine verkappte Mama

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Kommentare: 4
  • #1

    Sarah (Freitag, 05 Juli 2019 09:43)

    Oh, Liebe. Sehr schön beschrieben. Kenni. Obwohl ich noch nicht so ganz mitreden kann, ich stecke noch mittendrin im Fegi und Habei. All in this together.

  • #2

    Natascha (Freitag, 05 Juli 2019 10:28)

    Kenn ich, aber da ich nur ein Kind hab und es wohl auch bei einem bleiben wird, heul ich schon seit Anfang an. Jede Phase bringt aber auch was Neues, tolles, und darauf versuch ich mich zu konzentrieren; wenn er jetzt lieber mit seinen Freunden abhängt wie mit seiner ollen Mami... Mir graut‘s vor dem ersten Kindergartentag nach den Sommerferien, aber er freut sich soooo extrem darauf, dass es trotz aller Wehmut, schwierig ist, sich davon nicht anstecken zu lassen...

  • #3

    Key and the Gang (Freitag, 05 Juli 2019 18:39)

    @Natascha es tut mir sehr Leid deine Zeilen zu lesen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss Mama eines Kindes zu sein. Obwohl natürlich auch bei Mehrfachmamas jedes als Individuum zählt, so ist meine Mamarolle schon ein paar Jahre safer. Ich kann nicht gerade behaupten, dass es mich tröstet, denn K1 wird einfach flügge, daran ändert auch K3 nichts. Dennoch...ich kriege Zeit und eine Chance auf Repetition. Wie ich aber lese, machst du es genau richtig. Ich wünsche dir nur das allerbeste und viele unvergessliche Mamamomente! Key

  • #4

    Mariana (Sonntag, 21 Juli 2019 23:32)

    Oh wow ich liebe diesen Beitrag. Trifft mich nämlich mitten in mein weiches Mamiherz. Danke, auch wenns verdammt wehtut.